AMOURÖS
CARMEN
(Georges Bizet / 1875)
„L’amour est un oiseau rebelle
Que nul ne peut apprivoiser ...“ *
wenn er glutäugig gurrt,
immer enger seine Kreise zieht
um Wachsoldaten und Zigeunerinnen,
Teufelsweiber und Toreros
in der Nuttenschänke beim Manzanilla-Wein.
„L’amour est enfant de Bohême
il n’a jamais, jamais connu de loi ...“ *
und das Leben mischt seine Karten,
lässt sie wirbeln durch die Lüfte,
kapriziös & flatterhaft,
denn die wahre Währung heißt Frei-Sein,
unabsehbar & hoch gepokert.
„Mais si je t’aime, si je t’aime“
prends garde à toi!“ *
Ziehe Pik-Bube zum Nacht-Appell,
Spiele Herz-Dame beim Seguidilla-Tanz:
Leidenschaft und Eifersucht bringt um.
Gegengift kann nur Mord sein,
der letzte Joker fehlt.
( * aus der HABANERA-Arie:
„Die Liebe ist ein widerspenstiger Vogel,
Den niemand zu zähmen vermag“
„Die Liebe ist ein Kind der Boheme,
sie hat noch nie, noch nie Gesetze gekannt“
„Aber wenn ich dich liebe, wenn ich dich liebe,
nimm dich in Acht!“ )
DIE LETZTE U-BAHN
Abend für Abend war
es, immer so kurz vor 23:57 -
noch ein sinnliches Lächeln, ein
Ankuscheln unter deinen
Haarsträhnen, nur schnell eben
diesen Atemhauch noch,
bevor die letzte U-Bahn fährt.
Abend für Abend war
es. Der Sekundenzeiger
zwinkerte uns zu und drehte
diese eine letzte Minute etwas
gemächlicher – schlief der
Rest der Welt ja eh schon längst.
Doch heute fehlt sie uns, diese
Zeit. Zu spät. Aber trotzdem
noch einen Blick zurück, das
Geleise entlang. Nur einmal noch
verspüren, wie es damals war, unter
den Haarsträhnen, so gegen 23:57,
bevor die letzte U-Bahn fährt ....
USERNAME: DU & ICH
Liebesamulette – passé
Geturtelbriefe – out
Das eingeritzte Herz – so zopfig altbacken
Ich verrate dir mein PassWord
Zu meinen Gedanken, den verschleiertsten
Ich verrate dir mein PassWord
Zu meinen Gefühlen, den magischsten
Ich verrate dir mein PassWord
Zu meinen Begehren, den gelüstigsten
So sind wir fortan als Perpetuum mobile
Per Mausklick ganz einfach
Zweifach
Verlockt VERLOGGT
ZUM LETZTEN GLAS ROTWEIN
mich zieht es mit dir noch einmal zu den singenden
gondolieri an der rialto-brücke, wie einst zu den mont-
martre-künstlern auf der place du tertre, noch einmal
an die copacabana zu den samba-königinnen in nackter
haut und heißen rhythmen, es sehnt mich nach den
krabbenfischern zu pferde, die möwen ihrer nordsee
aufscheuchend, will mit dir zu den basar-händlern zwischen
orientalischen düften in marrakesch, hin zu den babuschkas
noch einmal, zu den hawaii-blumenmädchen mit hula-
tanz, doch abends wenn die sonne sie der nacht überlässt,
diese bunte welt, möchte ich das letzte glas rotwein für
heute trinken, wie damals, nur mit dir allein, ganz allein
DEIN MAGISCHES QUADRAT
Rechne ich
von
oben
so
nach
unten
von links so nach rechts
Oder buchstabiere ich
schräg
quer
übereck
diagonal
Ich erhalte immer
Die Summe
Deines Namens
WIE ROMEO UND JULIA
Es liebte die Spitze der Kompassnadel
Den Süden
Den sonnigen weit entfernten
Hold und inniglich
Wie einst Romeo und Julia
Doch konnten beide nie zueinander finden
Konnten sich nie näher kommen
Unglückliches Herzbegehren
Wie einst Romeo und Julia
Da die Liebe aber tausendmal stärker
Als geographische Weiten
Als alle physikalischen Gesetze
Nahm die Spitze einen Spiegel
Und beide winkten sich zu -
Beide winken sich heute noch zu
Und das Liebesgejammer
Hat Ruh’
DRITTER BUCHSTABE O
Vor Jahrzehnten saßen sie
Saßen sie in der Straßenbahn
Jeden Morgen jeden Abend
Er bei 7 waagerecht
Sie beim Nebenfluss der Donau
Ein erstes Augenzwinkern
Unauffällig
Bis hin zur ersten Nacht
Der ersten von vielen
Irgendwo zwischen Ozean senkrecht
Und Kranich 13 Buchstaben
Heute sitzen sie
Sitzen sie auf der Bank im Park
Auf der Terrasse der Eisdiele
In Kometen Nymphen Van Gogh
Jeden Nachmittag vertieft
Und suchen gemeinsam
Nach der Göttin der Blüte
Des Frühlings
Dritter Buchstabe O
HEIMLICHE AMOUREN
Jeden Nachmittag breche ich
Einen Sonnenstrahl ab,
Den gleißendsten unter den vielen,
So finde ich des Nachts
Den dunklen Schleichweg zu dir.
Sind alle abgebrochen,
Diese Tausenden und Abertausenden,
Dann fällt der Himmel herunter
Und wir können unbeschwert und frei
Auch den Tag durchkosten -
In den Wolken versteckt
Wie in einem Chambre séparée.
BOOM DER LEIDENSCHAFT
Gelüste Begehren
Kennen keine Sonn- und Feiertage
Keine Öffnungszeiten
Kein Urlaubsgesetz
Keine Überstundenvertragsklauseln
Sie kommen
Und. sind. dann. einfach. da.
Ich schau mal demnächst
Bei meiner Gewerkschaft vorbei
DER VERDACHT
Gestern erfand ich
Den Tag von heute
Als Überraschungsgeschenk für dich
Seit Sonnenaufgang kosten wir ihn aus
Smiley à gogo
Party non-stop
Flower-Power-Zeit total
Doch morgen
So hat mir mein Kalender verraten
Morgen soll’s noch einen geben
So einen Tag
(Hab’ ich da vielleicht einen Nebenbuhler?)
SIE GING MIT ROT
Sie geht –
Stöckelschuhe durch den Vorgarten
Mercedes-Reifen auf dem Asphalt
Beklemmen
Zermürben
Und das Rot der Schlusslichter
Taut weg
Zwischen Sträuchern
Hinter Giebeln
Rot
Brennt sich ein
Sie ging –
Letzter Rauch
Züngelt schwermütig
Aus dem Aschenbecher
Zerrinnt mit „Love me tender“
Im Schlussakkord
Und mir bleibt nur
Ihr Lippenstift-Rouge
Auf dem Whiskyglas
DIGITAL VERKNALLT
Meine SMS und deine SMS
Trafen sich vorgestern Nacht
Bei Vollmond
Im All
Meine las deine
Deine las meine
Erst erröteten beide
Verliebten sich dann
Vergaßen Handy, Gott und alle Instanzen
Und flogen engumschlungen
Zum Flitterwöcheln
Anderen Galaxien entgegen
So warte ich noch immer auf deine Antwort
Du wartest noch immer auf meine Antwort
Doch wir haben
Zwei andere
Ins Glück versendet
UND DU TRIEFST VON MUSIK
Dein Lachen
Eine quirlige Oboe
Deine Haut
Ein geschwungener Geigenbogen
Dein Blick
Das Glanzlicht eines Triangels
Dein Kosen
Piccolo und Kontrabass zugleich
Dein Flüstern
Grazil und graziös wie eine Harfe
Deine Lippen
Con sentimento dolce appassionato ...
So lass dich umarmen
Dann erklingt in mir
Eine ganze Symphonie
LUFTSPRÜNGE
Nach oben ist noch viel Platz
Denn der Hochsprung springt immer höher
Nach vorne auch
Denn der Weitsprung springt immer weiter
Ich bin genügsamer
Mir reiche schon ein schlichtes Plätzchen
Irgendwo ...
... seitlich
DU ÜBERALL
Da glaubte ich wirklich deine Stimme zu hören
in den schäumenden Wellen, deine Schritte in den
Kieselsteinen. Da glaubte ich wirklich deinen Duft
zu schmecken in dem Azur des Himmels, deine Haare
in den Stauden am Hang. Da glaubte ich wirklich
eine Hand zu fühlen aus der fernen Quelle, deinen
Hauch im Geström. Und sah es dann tatsächlich auf
dem Nachen, dein Spiegelbild im Wasser. So ziehen
meine steten Gedanken an dich mit dem Wind über
Ozeane, Städte, Wüsten und erzählen überall von dir.
ICH WOLLT' ICH WÄR
Ich wollt’ ich wär der Sommer
Dann könnte ich dich am Swimming-Pool wärmen
Ich wollt’ ich wär der Vollmond
Dann könnte ich dich nachts nach Hause begleiten
Ich wollt’ ich wär ein Regentropfen
Nur das schmächtige unbedarfte Tröpfchen
Dann fiele ich in dein Dekolletee
Ein wohlbusiges Wohlfühlen
Hautnah
Und ach so zwischenmenschlich
Ich bliebe auf ewig dort drinnen
Und kündigte meinem Wolkenbruch
Fristlos
WENN ALLES GESAGT IST
Wenn alles gesagt ist
Was gesagt werden sollte
Klappe ich die Aktenordner zu
Klappe ich alles Erlebte zu
Lösche die Feuer unserer Feuerkorallen
Und trete mit Contenance
Den letzten Heimweg durch die Hintertür an
Wenn alles gesagt ist
Was gesagt werden sollte
Lasse ich die vollen Aschenbecher der Gefühle
Neben deiner Hollywoodschaukel
Grüße die Gaffer am Wegesrand
Und die Vergangenheit klingt nur noch
Wie ein entferntes Requiem in mir
Wenn alles gesagt ist
Was gesagt werden sollte
Hisse ich die Segel
Und segle soweit die Ozeane mich führen
Bis dorthin wo das Meer wieder Sand wird –
Vielleicht habe ich bis zu den Mascarenhas-Inseln
Ein neues Korallenriff gefunden
SCHMETTERLINGE IM BAUCH
Blauer Eichenzipfelfalter auf dem Holunder
Kleiner Perlmutterfalter auf dem Klatschmohn
Gemeiner Ulmen-Feuerfalter auf der Lichtnelke
Ich sah sie
Ich fing sie
Ich schluckte sie
Und lief zum Patentamt
ICH HATTE DIE LIEBE ERFUNDEN !!