LYRIK

über

LYRIK

 

SIE UNTER SICH

 

Las er als Dichter

mancher Dichter Gedichte,

legte er geknickt

seinen Bleistift nieder -

 

Doch kamen ihm dann

manch andre zu Gesichte,

holte er prompt

seinen Bleistift wieder ...    

 

(Oktober 2018)

 

NUR EINE HANDVOLL VERSE

 

das abgebrochene patience-kartenspiel 

lippenstiftrouge am tequila-sunrise

die zerkratzte freddy-mercury-platte

ein eselsohr im dreigroschen-roman

 

lass es zu worte kommen,

das übersehene, überhörte, übergangene -

eine zweite chance

für das nur-so-nebenbei

(Mai 2017)

 

 UND WIRD GEDICHT

(nach „Gefunden“: „Ich ging im Walde so vor mich hin ...“

Johann Wolfgang von Goethe - 1813)

 

Ging auch im Walde

So vor mich hin,

Heut’ nichts zu dichten,

Das war mein Sinn.

 

In Stille ist mir

Ein Wort erwacht,

So farbig klingend,

So rund gedacht.

 

Ich wollt es greifen,

Da sagt’ es fein:

Soll ich zum Reden

Entzaubert sein?

 

Mit Klang und Farbe

Hab ich es zart

In mir verstohlen

Dann aufbewahrt.

 

Ich schrieb es nieder

An hellem Licht –

Nun zweigt und sprießt es

Und wird Gedicht.

 

 

 

Gefunden

(Johann Wolfang von Goethe)

 

Ich ging im Walde

So vor mich hin,

Und nichts zu suchen,

Das war mein Sinn.

 

Im Schatten sah ich

Ein Blümlein stehn,

Wie Sterne blinkend,

Wie Äuglein schön.

 

Ich wollt es brechen,

Da sagt' es fein:

Soll ich zum Welken

Gebrochen sein?

 

Mit allen Wurzeln

Hob ich es aus,

Und trugs zum Garten

Am hübschen Haus.

 

Ich pflanzt es wieder

Am kühlen Ort;

Nun zweigt und blüht es

Mir immer fort.

(März 2016)


POESIE-METAMORPHOSE

(Senryu)

 

Was einst nur verspürt

Verwächst sich als verwortet

Zu Zeilen und Sinn

*

Aus Zeilen und Sinn

Entwächst sich als entwortet

Was einstens verspürt


(Juni 2015)

 

TRILOGIE DES DICHTERS

 

1.

Non-Event

Erdichtetes hab ich

gesichtet

gewichtet

gerichtet

verdichtet

gelichtet

Und saß am Ende

Wieder vor dem weißen Blatt

 

2.

Poet erster Klasse

Hat er einen Sinn – fehlt ihm der Vers

Hat er einen Vers – fehlt ihm die Form

Hat er eine Form – fehlt ihm das Metrum

Hat er ein Metrum – fehlt ihm der Reim

Hat er einen Reim – fehlt ihm der Sinn

So probiert er immer wieder

Und legt dann den Bleistift nieder

 

3.

(.....)

(Januar 2015)

 

AUF LYRISCH

(Senryu)

 

Vom innersten Ich

Als polychrome Symphonie

In Worte skulptiert

(Januar 2015)

 

 

VERDICHTETE LEERRÄUME

 

...............

...

verse

entwortet

......

......

nur-angedachtes

verwortet

......

......

schnörkellos

schattierte schemen

schwappen über

voll der magie

......

des

nicht-gesagten

...

...............

(Oktober 2014)

 

ARS POETICA

 

Und der Schatten entschlurfte seiner Eiche:

Nimm mich mit

In mir klingt Poesie

 

Und ein rostiges Gartentor schepperte irgendwo:

Nimm mich mit

In mir klingt Poesie

 

Und die Sonnenuhr,

Die sonst unter Wolken verstummt ...

 

Und das Buntglasfenster der Kirche,

So auf Distanz zu allem Irdischen ...

 

Und das nie gelesene Buch ...

 

Und der Letzte auf dem Bahnsteig ...

 

Und das Schachbrett ...

 

Und die Marktfrau ...

 

Und er nahm sie alle mit

Setzte sich nieder

Bei Blatt Feder Tintenfass

Und aus Reichtum AN Alltäglichem

Wurde Reichtum DES Alltäglichen

 

(August 2014)

 

OZEANE, WÜSTEN UND GEDICHTE

 

Hier

Ein Regentropfen mehr

Dort

Ein Sandkorn weniger ---

 

So leicht gerät die Welt

Nicht außer Balance

 

(Aber trotzdem ...)

 

(April 2014)

 

WEITEN UND UNENDLICHKEITEN

  

Gebirge und Schluchten

Meere und Buchten

Weiten und Unendlichkeiten -

So endlos weit der Blick zu blicken vermag

 

Der Dichter aber, er weilt an anderem Ort

Eher dort

Wo das kärglichste Wort

Sich Schale um Schale

Als doch tiefschürfend entpellt,

Wo Doppelbödiges und BonMot

Durch Gedanken pulsieren,

Salopp und Gehoben

Auf gemeinsamer Bühne choreographieren,

Ja, eben dort

Wo kärglichstes Wort und kärglichstes Wort

Zu ungeahnten Sinnen kopulieren ---

 

In diesem Kleingeschnitzten

Hallen für ihn

Gebirge und Schluchten

Meere und Buchten

Weiten und Unendlichkeiten -

So endlos weit das Denken zu denken vermag ...

 

(März 2014)

 

KLARTEXT-LYRIK

   

Schreiber, sprichst du etwa von

ARSCHKARTE ZIEHEN UND ÜBER DEN TISCH GEZOGEN

Dann sage auch

ARSCHKARTE ZIEHEN UND ÜBER DEN TISCH GEZOGEN

Aber zerrede dich nicht zu tief

Nicht zu umwoben umrankt

In ...

Schrei es / oh Mensch /

Der Schöpfung von der Seele !

Diese-steigbügel-haltende-Hypocrisie

Des-Du&Dir

Zum-Bestäuben

Eines-mephistophelischen-Paktes

Mit-dem-Ich&Mir ...

 

Nein!

Rede Klartext!

ARSCHKARTE ZIEHEN UND ÜBER DEN TISCH GEZOGEN

Poesie ist zwar dichtes Brombeergestrüpp

Aber Apollo auch nur Gott der Lyrik

Und keine Decodierungssoftware

 

(Januar 2014)

 

UND GOTT SCHRIEB VON JEDEM VERS

 

Immer

Nur

Das

Erste

Wort

-

Ließ

Uns

In

Eigenregie

Weiter

Werkeln

Und

Genoss

Dann

Verstohlen

Dass

Wir

Uns

Am

Ende

Keinen

Reim

Drauf

Machen

Konnten

(Oktober 2013)


DICHTER-PSYCHOSE

  

Wettermeldungen

Lautsprecherdurchsagen

Anmache auf dem Strich

Höre ich in Reimen

Endreim Eingangsreim Binnenreim

Alles andere wäre nur fades Geplapper

 

Im Metrum meines Denkens

Betrete ich augenmerksam

Unbetonte oder betonte Silben

Jambus Trochäus Daktylus

Dazwischen liegen Tellerminen

 

Im Spiegel sehe ich mich

Als Metapher

Meiner selbst


(August 2013)

 

OHNE TITEL

 

Nicht überall

Wo Titel draufsteht

Ist auch Titel drin

Und trotzdem gibt er

Leerem Inhalt

Üppigkeit und Sinn.

 

So suche du dir

Den pointiersten

Und schreib’s oben hin

Dann sagt man: Doch!

Wo Titel draufsteht

Ist auch Titel drin!

(August 2013)